Wenn ich an das Wort ‘Nein’ denke, dann ist meine erste Assoziation: ein trotziges Kind. In meinem internen System war das Wort ‘Nein’ zu lange mit etwas Negativem verbunden, weshalb ich inzwischen aktiv daran arbeite, es in mir zu transformieren. Gleichzeitig ist ein ‘Ja-Sager’ für uns ebenfalls etwas Negatives. Warum aber beide Worte, korrekt für jeden einzelnen angewendet, einen Akt der Selbstliebe darstellen, möchte ich in diesem Beitrag beleuchten.
In den ersten 7 Jahren unseres Lebens sind wir darauf angewiesen, dass sich jemand anderes um uns kümmert, denn alleine sind wir nicht überlebensfähig. Wir brauchen Nähe, Liebe und Geborgenheit. Gleichzeitig haben wir aber früh gelernt, dass wir vor allem dann geliebt und umsorgt werden, wenn wir lieb, brav und hörig sind. Wenn wir etwas nicht essen wollten, wurden wir ‘erpresst’ damit, dass die Sonne morgen nicht scheinen wird oder der Weihnachtsmann dieses Jahr keine Geschenke bringt. Wenn wir gefragt wurden, ob wir Oma und Opa besuchen wollen und unsere Antwort ‘Nein’ war, dann wurde uns die angebotene Entscheidungsmöglichkeit wieder entzogen, indem wir trotzdem gezwungen wurden hinzugehen. Wenn wir Bekannten von Mama und Papa intuitiv nicht die Hand geben wollten, wurden wir geschimpft, weil das angeblich unhöflich ist.
Und damit beginnen wir immer häufiger ‘Nein’ zu uns selbst zu sagen. Aufmerksamkeit, Liebe, Lob und Anerkennung gab es vor allem dann, wenn wir den Vorstellungen derer entsprachen, von denen wir abhängig waren. Diese ‘Grundprogrammierung’ findet in unseren ersten 7 Jahren statt und wir tragen sie meist für den Rest unseres Lebens in uns, wenn wir uns ihrer nicht bewusst werden und beginnen, sie zu heilen. Denn dieses ‘Entsprechen wollen’, diese Angepasstheit hat immer einen Preis: Sie geht auf Kosten unserer Authentizität.
Tipp
Wer mehr zum Thema ‘Grenzen setzen’ und die Wichtigkeit von Authentizität lernen möchte, dem kann ich die Bücher ‘Grenzen machen uns frei: Ein Wegweiser sich selbst treu zu bleiben’ von Psychotherapeutin Nedra Glover Tawwab, sowie ‘Wenn der Körper Nein sagt’ von Dr. Gabor Maté empfehlen.
Und hier beginnen wir mit der Human Design Perspektive. Im Human Design dreht sich alles darum (wieder) sein authentisches Selbst zu leben, sich frei zu machen von all den Konditionierungen, die sich im Laufe unseres Lebens angesammelt haben, durch unsere Ursprungsfamilie, durch unser Umfeld, durch unsere Kultur und Gesellschaft. Wir haben verlernt, unsere innere Stimme zu hören, die uns genau sagt, ob wir etwas möchten oder nicht. Stattdessen haben wir gelernt, auf unseren Verstand zu vertrauen, der, basierend auf vergangenen Erlebnissen, vorhersagt, wie eine Situation seiner Erfahrung nach höchstwahrscheinlich ausgeht, wenn wir dies oder jenes tun.
Wenn wir unserem Verstand folgen, wird dieser uns immer in unserem sogenannten ‘Nicht-Selbst’ halten. Wir entscheiden uns z.B. etwas zu tun oder nicht zu tun, um anderen zu gefallen, um von ihnen Bestätigung und Lob zu erhalten. Wir meinen, uns beweisen zu müssen, weil wir unseren eigenen Selbstwert nicht fühlen. Wir vermeiden es, unsere Wahrheit auszusprechen oder in eine Konfrontation zu gehen, weil wir die andere Person nicht aufregen wollen, weil wir mit den aufkommenden Emotionen nicht umgehen wollen und entwickeln eine ‘nette Persona’. Wir halten an Menschen, Dingen, Jobs oder Situationen fest – entscheiden uns also nicht ‘Nein’ dazu zu sagen, weil wir uns ohne sie völlig unsicher oder unwohl fühlen. Wir sind auf der Suche nach uns selbst und damit nach unserer Richtung, Identität oder (unpersönliche) Liebe im Leben und beginnen uns über bestimmte Rollen oder Materielles zu definieren. Wir übernehmen unhinterfragt mentale Konzepte von anderen und verteidigen sie sogar, weil wir uns mental unbedingt sicher sein wollen, bzgl. dem was ‚richtig‘ und ‚falsch‘ ist. Wir denken laufend über die Fragen, Probleme und Themen anderer nach, damit wir uns nicht mit dem beschäftigen müssen, was wirklich mit uns und unserem Leben zu tun hat. Wir wissen nicht wann genug ist und arbeiten mehr als alle anderen, bis zur völligen Erschöpfung. Wir erledigen alles ganz schnell um den Druck loszuwerden, den wir ständig von Außen spüren, nur um zu realisieren, dass das nächste To Do direkt nachrutscht. Wir versuchen mit dem was wir sagen oder tun Aufmerksamkeit zu erregen, weil wir uns nicht gesehen oder gehört fühlen. Wenn wir uns jedoch von diesen und weiteren Themen dazu verleiten lassen, unsere Entscheidungen im Leben zu treffen, dann folgen wir nie unserer wahren inneren Stimme und leben nicht das Leben, das uns eigentlich entspricht. Wir verleugnen unsere wahren Wünsche, Träume, Bedürfnisse und Werte.
Das Human Design System unterscheidet ganz grundsätzlich in Menschen, die eine ausdauernde Energiequelle (definiertes Sakral Zentrum) in sich tragen oder nicht (undefiniertes Sakral Zentrum). Mit einem undefinierten Sakral Zentrum (dazu zählen die Grundtypen Manifestor, Projektor und Reflektor) ist es wichtig, auf den eigenen Energiehaushalt zu achten. Das bedeutet zu lernen sehr effizient zu arbeiten, sich genügend Pausen zu geben und sich auch mal allein zurückzuziehen, aus den konditionierenden Energien des persönlichen Umfeldes. Auch das bedeutet also, ‘Nein’ zu anderen Menschen zu sagen. “‘Nein, ich möchte mich nicht treffen.” “Nein, ich habe gerade kein Ohr für Dich.” “Nein, ich möchte gerade nicht dies oder jenes tun, um Deinen Bedürfnissen nachzukommen – auch wenn ich sie respektiere und Du mir wichtig bist.” Es ist beeindruckend zu beobachten, wie diese Worte auszusprechen, einerseits eine wahnsinnig selbstbestärkende Wirkung haben können und gleichzeitig so unglaublich schwer über die Lippen gehen. Aber auch hier ist es ein Prozess zu erkennen, dass ich es bin, die physisch darunter leidet, wenn ich nicht auf meinen Körper höre und über meine Grenzen hinweg gehe. Es ist nicht meine Aufgabe, für andere zu funktionieren. Es ist meine Aufgabe, mich um mich selbst zu kümmern und authentisch zu mir selbst zu stehen. Denn nur dann kann ich auch meine volle Wirkung für andere entfalten.
Tipp
Auch sehr interessant hierzu ist der Ansatz von Alfred Adler, dem Begründer der Individualpsychologie, zum Thema ‘Aufgabentrennung’. Dieser Ansatz wird auch in den sehr kurzweiligen aber dennoch eindrücklichen Büchern von Ichiro Kishimi und Fumitake Koga behandelt: ‘Du musst nicht von allen gemocht werden: Vom Mut, sich nicht zu verbiegen’ und ‘Du bist genug: Vom Mut, glücklich zu sein’
Für den Grundtyp des (manifestierenden) Generators bringt die ausdauernde Energiequelle, die dieser in sich trägt, eine ganz eigene Bedeutung von ‚Ja‘ und ‚Nein‘ mit sich. Denn das Sakral-Zentrum kann nur auf Impulse aus dem Außen reagieren, und dadurch innerlich deutlich machen „Ja, dafür habe ich Energie zur Verfügung“ oder „Nein, dafür steht keine Energie zur Verfügung“. Wird diese Stimme ignoriert, weil der Verstand so gar keine Logik oder Sinn darin sieht, zeigt sich das durch Frustration und Widerstand. Die Dinge werden mühsam, denn es wird nicht MIT der Energie dieses Zentrums gearbeitet, sondern dagegen. Es erfordert Vertrauen und Mut, auf dieses innere ‚Ja/Nein‘ zu hören (Achtung, nicht für jeden (manifestierenden) Generator ist dies die finale Entscheidungsinstanz, lies hier mehr dazu!), was letztlich aber mit mehr Zufriedenheit im Leben belohnt wird.
Es gibt im Human Design darüber hinaus sogar ganz spezifische ‚Tore‘ (Eigenschaften, Fähigkeiten), die für ‚Ja‘ und ‚Nein‘ stehen. Besonders vorsichtig sein dürfen diejenigen, die in ihrem Design das Tor 29 im Sakral-Zentrum aktiviert haben, das Tor des Ja-Sagens. Mit der Tendenz, zu allem möglichen ‘Ja’ sagen zu wollen, laufen sie Gefahr, zu lange in den falschen Verpflichtungen gefangen zu sein, für welche eigentlich kein sakrales ‘Ja’ vorhanden war. Als ob der Verstand einen gezwungen hat, in eine Achterbahn einzusteigen, in der man nicht zu jedem Zeitpunkt einfach wieder aussteigen kann, auch wenn es einem zwischenzeitlich mal zu schnell geht. Ist diesem Commitment jedoch ein sakrales ‘Ja’ vorausgegangen, so profitieren sie von ihrer Fähigkeit, beharrlich und entschlossen durch eine Erfahrung, mit all ihren Höhen und Tiefen, durchgehen zu können und am Ende potentiell dort Erfolg zu haben, wo andere schon längst aufgegeben hätten.
Tor 26 und Tor 40 sind die Tore des ‚Nein‘-Sagens. Sie sitzen im Herz Zentrum, dem Zentrum der Willensstärke und des Selbstwertes. Bei beiden dreht es sich um das Thema des sich gegenseitig Unterstützens und den richtigen Deal mit jemandem einzugehen. Beide dürfen durchaus so ‚egoistisch‘ sein und fragen „Und was hab ich davon?“ um für ihren Energieeinsatz auch eine angemessene Gegenleistung zu bekommen. Sei es emotionaler oder finanzieller Art. Denn die Willensstärke ist keine ausdauernde Kraft und braucht genügend Ruhephasen. Daher gehört das ‚Nein‘-Sagen in unserem zwischenmenschlichen Miteinander unbedingt dazu, um sich nicht ausnutzen zu lassen, und sich nicht unter Wert zu verkaufen.
Ein ‘Ja’ zu Dir selbst erfordert manchmal ein ‘Nein’ zu jemand anderem. Je mehr Menschen vom Human Design System erfahren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass andere Menschen unser Ja/Nein respektieren und nicht persönlich nehmen. Das Wissen des Human Design Systems schenkt uns daher nicht nur die Freiheit, wir selbst zu sein, sondern es auch in Form von Selbstliebe zu demonstrieren.
Bleib auf dem Laufenden!
Melde Dich einfach zu meinem Newsletter an und lasse Dich maximal alle 2 Wochen kostenlos von mir zu den Themen Human Design und Persönlichkeitsentwicklung sowie über meine neuesten Angebote informieren: